Das Haus, im alpenländischen Stil mit einem holzgeschnitzten Brunnen vor der Tür, der sich aus der eigenen Quelle speiste, befand sich auf einem kleinen Vorsprung, so dass man von der Terrasse weit ins Tal blicken konnte, hinter dem sich das eindrucksvolle Bergpanorama anschloß.

Ich stand an dem kleinen Mäuerchen, wo ich als Kind so gern mit meinen Matchboxautos gespielt hatte und auf dem ich meinen ersten Feuersalamander entdeckt hatte, als der längst verstorbene Hausherr um die Ecke trat.

Von der neusten Generation der Serviceandroiden hatte ich bisher nur gelesen. Sie waren optisch vom Menschen nicht mehr zu unterscheiden, hieß es und sie konnten multifunktional eingesetzt werden: für Hausarbeiten, Kinderbetreuung und sogar für kleine handwerkliche Tätigkeiten. Mit genügend Bildmaterial war man in der Lage, das Gerät nach den eigenen Bedürfnissen zu gestaltet und so konnte sich mittlerweile jeder seinen idealen Begleiter erstellen.

August, der mir nun entgegenkam, war ganz offensichtlich eines dieser Modelle. Wie selbstverständlich schaute er zu mir herüber, nickte kurz und rief: „Servus Andi, schee, dass di a moi wida blicka lost!“

Ich war kurz sprachlos, doch dann erwiderte ich: „Guten Morgen, August.“ Und leise fügte ich hinzu: „auch wenn ich weiss, dass du es nicht bist.“

Er hatte es wohl gehört, denn er zuckte kurz mit den Schultern, schien sich aber nicht weiter dran zu stören und ging aufs Feld zu, nach den Tieren zu sehen. 

Ich stand noch eine Weile da und spürte, wie sich die Brust um das Herz verengte. Eine Mischung aus Sehnsucht und Trauer erfüllte mich und ich ging langsam vor zur Haustür, um mich auf mein Zimmer zurückzuziehen.

Der Flur lag dunkel und führte nach hinten zu den Stallungen. Rechts sah man durch eine Öffnung in der Feuernische, dass der Kachelofen bereits eingeheizt war, halblinks führte eine Treppe zu den Gästezimmern. Die Tür zur Stube war verschlossen, aber die Küchentür stand einen Spalt breit offen und man sah die Hausherrin, wie sie mit den Enkeln über Schulbüchern und Heften saß.

Als ich mein Zimmer betrat, ließ ich mich in den bequemen Sessel fallen und bemerkte, wie mir langsam Tränen in die Augen stiegen. Ich glaube, ich habe seit Kindestagen nicht mehr so sehr um einen Menschen – vielleicht sogar um die ganze Menschheit getrauert.

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