Das Internet ist eine große Chance für Randgruppen, auch von einer großen Masse wahrgenommen zu werden. Das gilt nicht nur, aber eben auch für Veganer. Der vegane Lebensstil, so kann man den Eindruck gewinnen, verbreitet sich rasant, was nicht nur die Auslagen der Supermärkte nahelegen, sondern eben auch die immer häufiger auftretenden Clips sogenannter radikaler Tierschützer und Veganer. Beispielhaft sei hier auf die Seite an3x.org verwiesen.

Es ist immer schwer, innerhalb der eigenen Gruppe zu erkennen, wie groß diese ist. Für eine Kaulquappe ist die Pfütze, in der sie aufwächst, das ganze Universum. Von Seen, Flüssen und Meeren hat sie keine Vorstellung. Wer vegane Urlaubsreisen plant, sich Kleidung und Gebrauchsgegenstände weltweit aus veganem Versandhandel zukommen lässt und in seinem Freundes- und Bekanntenkreis ausschließlich vegane Beziehungen zulässt, der mag schnell auf die Idee kommen, die Welt würde mehr und mehr vegan leben.

Zudem bezieht man so auch seine Argumente völlig einseitig und ist den meisten, die sich kaum Gedanken über einen Ernährungswechsel machen, argumentativ überlegen. Immerhin dreht sich der Großteil des Tages um die Frage, weshalb man diesen Lebensstil, der ja durchaus mit Einschränkungen verbunden ist, zu Recht gewählt hat – warum er moralisch nicht nur angeraten, sondern geboten ist.

Es ist leicht verständlich, dass aus dieser Perspektive auch ein Missionsbedürfnis entsteht. Immerhin sieht man sich als moralisch überlegen an und kann vordergründig leicht mit Bildern von gequälten Tieren emotional aufwühlen und in der Tat ist unser Umgang mit Nutztieren, insbesondere im Bereich der Massentierhaltung, oft alles andere als moralisch vertretbar. Daran ist auch auf jeden Fall zu arbeiten. Der radikale Ausweg, auf Tiere und Tierprodukte in der Nahrungskette und im täglichen Gebrauch völlig zu verzichten, ist allerdings längst nicht zwingend und ich halte ihn sogar für gefährlich.

Geschmacksache

 

Das häufigste Gegenargument dürfte wohl das, des Geschmacks sein. Nicht selten wird auf vegane Anfragen, warum man denn nicht auf Fleisch verzichte geantwortet: „Weil es schmeckt“. Natürlich ist das vordergründig ein eher schwaches Argument, wenn, wie immer wieder aus veganen Kreisen vorgeworfen, das Töten von Tieren einem Mord gleichkommt. Die Mühen der Industrie, sogenannte Fleischersatzprodukte herzustellen, sollen diesem Argument entgegen treten und in der Tat hat man mit großem Einsatz von Energie und biochemischer Technologie schon Erstaunliches vollbracht. Dennoch dürfte das einen überzeugten Fleischliebhaber nicht erreichen, bestenfalls jene, die eh lieber weiterverarbeitete Produkte schätzen.

Ein oft nicht ernst genommener Nebeneffekt, wenn man Menschen mehr oder weniger gegen ihren Willen dazu drängt, auf Fleisch zu verzichten, ist eine emotionale Unausgeglichenheit. Jemandem in seine Essgewohnheiten hereinzureden, ist eine sehr persönliche Angelegenheit und kann leicht auch zu Gegenreaktionen führen. Wer einen Menschen gegen sein natürliches Verlangen zu etwas drängt, muss damit rechnen, dass sich Aggressionen aufstauen und sich diese dann anderweitig Luft machen. Vielleicht liegt hier auch ein Schlüssel zur Erkenntnis, warum viele Veganer so angespannt und verbissen wirken. Was man sich selbst unter schweren Mühen abverlangt, das würde man gern auch bei anderen sehen. Und wenn diese den eigenen moralischen Ansprüchen nicht nur nicht folgen, sondern ihr moralisch defizitäres Verhalten ungeniert weiter ausleben, ohne schlechtes Gewissen und ohne Respekt den eigenen Anstrengungen gegenüber, wer soll da noch gelassen an das Gute im Menschen glauben?

 

Ausgewogene Ernährung

 

Nicht selten wird aus veganer Perspektive damit argumentiert, eine fleischlose Ernährung sei gesünder als unsere herkömmliche Ernährung. Ob das im konkreten Fall tatsächlich so ist, soll an dieser Stelle nicht vertieft werden. Natürlich entspricht unser hoher Fleischkonsum nicht in jedem Fall dem Optimum der Ernährung, doch ob dies bei Veganern in der Regel besser ist, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. Eine Ernährung, die nicht unwesentlich auf Nahrungsergänzungsmitteln beruht, die wir dank unserer Industrie bereitstellen können, ist zumindest eines nicht: natürlich.

Selbstverständlich betrifft das unsere gewöhnliche Ernährung auch. Die Kochkunst, also die veredelte Art, wie wir unsere Nahrung zubereiten, ist weit entfernt von dem, wie sich der Mensch in freier Natur, ohne Feuerstelle und entsprechendes Werkzeug ernähren würde, noch dazu allein von dem, was er lokal anbaut und einlagert. Vielleicht steht gerade darum das Ideal einer naturgemäßen Ernährung immer wieder bei vielen als Ziel vor Augen, als Ausdruck einer dem Menschen gemäßen, ausgewogenen Lebensart. Einem solchen Ideal, welches auf die komplexen Zubereitungsmöglichkeiten verzichtet, steht eine vegane Ernährung völlig entgegen, die ja in besonderer Weise auf moderne Nahrungsmittelbearbeitung setzt. Je mehr wir uns auf natürliche Produkte beschränken, desto wichtiger werden tierische Proteine.

Dass wir in hohem Maße von Pflanzen leben können, liegt an Möglichkeiten der Zubereitung und nicht am biologischen Aufbau unseres Verdauungsapparats. Vergleiche zum Tierreich legen nahe, dass wir den Karnivoren deutlich näher sind, als beispielsweise den großen Pflanzenfressern, die auf unseren Weiden stehen. Gerade die Entwicklung in Kindheit und Jugend birgt eine große Gefahr der Mangelernährung, wenn eine fleischlose Ernährung nicht unter strengster Kontrolle durchgeführt wird. Einzelnen engagierten Eltern dürfte das gelingen, im großen Stil würden wir aber ziemlich sicher mit vielen neu auftretenden Krankheitsfeldern rechnen müssen.

 

Ein besonderes Verhältnis zur Natur

 

Auf der einen Seite entfernt sich der Veganer durch seine Ernährung von einer naturgemäßen Lebensweise, auf der anderen Seite aber sucht er gerade die romantisierende Nähe zur Natur. Es ist die Liebe zum Geschöpf, die Hochachtung vor den Tieren, die bei der veganen Agenda immer ganz oben steht. Tiere werden vermenschlicht, der Einsatz oder gar die Tötung von Tieren auf Menschen oder menschliche Minderheiten bezogen.

Dabei werden nicht selten für Tiere ganz besondere Rechte eingefordert. Menschen müssen für ihren Lebensunterhalt oft lange arbeiten, nicht wenige leben auf unter 30 Quadratmeter Raum und viele verlassen den größten Teil des Tages ihren Arbeitsplatz nicht, so dass sie zwischen PC und Bürostuhl eingesperrt sind. Dass ein Pferd eine Kutsche zieht oder dass man vom Honig der Bienen einen Teil abschöpft, scheint hingegen ein nicht hinzunehmendes Unrecht zu sein. Da zählt es auch nicht, wenn man darauf verweist, dass der Mensch seinen Nutztieren ein großteils auf sie angepasstes und von sonstigen Fressfeinden befreites Umfeld bietet.

Während man beim Menschen bereit ist, über Euthanasie und Abtreibung zu sprechen, Kinder und Alte als nur eingeschränkt lebenswert betrachtet, wird bei Tieren durchaus auch Embryonenschutz angestrebt. Besonders interessant wird es bei von außen noch sehr exotisch anmutenden Diskussionen, wenn z.B. die Frage gestellt wird, ob der Verzehr von Menschenfleisch erlaubt wäre, da durch ihn kein Tier zu Schaden kommt. Folgerichtig kann man ausgehend vom Stillen des Säuglings sagen, dass Menschenmilch im Gegensatz zur Milch von Kühen, Schafen oder Ziegen, vegan sei. Der Mensch begibt sich so Schritt für Schritt in eine der Tierwelt untergeordnete Position. Kulturanthropologisch werden so die Weichen gestellt, in unserer modernen und aufgeklärten Welt auch wieder alt bekannte Praktiken einzuführen, von Menschenopfern bis hin zu Kannibalismus.

 

Im Tod ist das Leben

 

Kommen wir im Gegenzug zum Naturkult abschließend auf das christliche Konzept zu sprechen. Auch im Christentum wird die vegetarische und gar die vegane Lebensweise traditionell hoch angesehen. So heißt es im Schöpfungsbericht: „Sehet, ich habe euch alle samentragenden Pflanzen auf Erden und alle Bäume, die in sich selbst den Samen ihrer Art tragen gegeben, daß sie eure Nahrung seien“.

Von Tieren ist da noch keine Rede, dass auch diese zur Speise gehören wird erst nach der Sintflut bezeugt, als der Herr zu Noe sprach: „Wachset und mehret euch, und erfüllet die Erde! Furcht und Schrecken vor euch komme über alle Tiere der Erde, und über alle Vögel des Himmels, über alles, was sich auf Erden regt; alle Fische des Meeres sind in eure Hand gegeben. Und alles, was sich regt und lebt, soll euch zur Speise dienen, wie das grüne Kraut übergebe ich es euch alles. ...“

Es gab biblisch demnach eine vegane Urgesellschaft im Paradies, sowie noch eine Weile nach dem Sündenfall, doch hatte das Ideal offensichtlich keinen Bestand. Man kann durchaus sagen, dass es der Gefallenheit des Menschen geschuldet ist, dass er nun auch Fleisch verzehrt. Doch auch wenn dies nun erlaubt ist, zeigt die Schrift ganz deutlich, dass das kein optimaler Zustand ist, denn Furcht und Schrecken zu verbreiten ist sicher keine schmeichelnde Eigenschaft.

Der Ansatz hier ist also ein pragmatischer. Ausgehend von einem qualitativen Unterschied zwischen Mensch und Tier ist es erlaubt, Tiere und Tierprodukte zu verzehren oder anderweitig zu nutzen. Soweit dies aber mit einem Schrecken für die Tierwelt verbunden ist, kann dies nicht als optimaler Zustand gesehen werden, sondern ist der Schwäche des Menschen geschuldet, der sich in diesem Aspekt von vielen anderen Geschöpfen der gefallenen Natur nicht unterscheidet.

Im Gegensatz zur sonstigen Natur kann der Mensch sich aber aus den Fesseln seiner Triebe lösen. So leben bis heute viele Klöster eine vegetarische, in besonderen Fällen auch vegane Tradition. Das Konzept, im bewussten und spirituellen Rahmen, aus Achtung vor der Schöpfung zu leben, ist eine große Leistung. Dies gilt natürlich für alle Veganer, sofern ihr Verzicht aus Liebe geschieht und er sich nicht in Neid und Aggression gegen andere entlädt, die einen solchen Verzicht nicht leisten.

Denn letztlich sollte immer bewusst bleiben, dass es ein Leben ohne das Sterben anderer nicht gibt. Jedes neue Leben basiert auf dem Tod des Vorangegangenen, doch wird es dadurch nicht entwertet. Angesichts der eigenen Sterblichkeit zu sagen, man wäre besser nicht geboren worden, trägt der Fülle des Lebens keine Rechnung. So ist es auch bei Tieren kein grundsätzlicher Gewinn, wenn sie, letztlich immer auch der Nahrungskette unterworfen, in freier Natur, aus Unachtsamkeit oder Schwäche, getötet werden, statt der Kultur des Menschen zuzutragen. Der Mensch bietet bestenfalls ein ruhiges und sinnerfülltes Leben, wozu natürlich auch der letztendliche Verzehr gehören kann, und das sollte unser Ziel sein: eine dem Tier gemäße Umgebung zu schaffen, in der es möglichst stressfrei mit dem Menschen zusammen ein erfülltes Leben führen kann, für das es sich zu sterben lohnt.

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