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Der eine oder andere wird es mitbekommen haben, die Gesellschaft hinter den Plattformen Facebook, Instagram und What’s App wurde ende Oktober umbenannt, in „Meta“. Im Logo ist das Zeichen für Unendlichkeit, die „liegende 8“ vorangestellt, was schon einmal prominent markiert, wohin die Reise gehen soll. Man möchte eine neue Ära begründen, das Internet neu erfinden und natürlich will der allseits bekannte Konzern an vorderster Front mitmischen.
Bisher war Facebook diesbezüglich nur mit einem Randprodukt aufgefallen, das nicht so ganz ins Sortiment des Betreibers von Social-Media-Plattformen zu passen schien: einer Hardware, der VR-Brille „Oculus“. Dabei handelt es sich primär um ein Gerät zur besseren Interaktion mit Computerspielen. Zwei hochauflösende Monitore eröffnen den ansonsten abgedunkelten Augen einen konzentrierten Blick auf das Spielgeschehen.
Das Internet neu erfinden
„VR“ steht hier für „Virual Reality“ also virtuelle Realität. Gemeint sind digital erstellte Umgebungen, in denen der Benutzer mit dem System, sowie mit anderen Anwendern interagieren kann. Dabei soll möglichst perfekt an menschliche Sinne angeknüpft werden, nicht nur mit Brillen, auch mit Laufbändern oder Handschuhen, bis hin zu Ganzkörperanzügen, die situativ Impulse abgeben.
Das Prinzip ist bekannt. Die Entwicklung der Informationssysteme hat immer wieder gezeigt, dass neue digitale Techniken in bis dato analoge Bereiche vorstießen und diese in kürzester Zeit eroberten. Sehr früh begann die Ablösung der Druck- und Layoutsysteme durch das Desktop-Publishing (DTP). Analoge Tonträger wurden durch digitale ersetzt, Multimediaanwendungen griffen schnell von Ton auf Bilder und von dort auf die Film- und Videobranche über. Die Verschmelzung von Alltagstätigkeiten mit elektronischen Diensten kam, anders als geplant, durch Smartphones auf den Markt. Ankündigungen unter dem Begriff „Wearables“, also Elektronik, die man in Kleidung, am Körper, z.B. auch als Schmuck trägt, gelangten oft nicht zur Marktreife. Als Beispiel sei die Brille „Google Glass“ erwähnt, die das Sichtfeld um eigene Informationen anreicherte und das Gesehene aufzuzeichnen in der Lage war. Letztlich war jedoch weder die Technik genügend ausgereift, noch die Gesellschaft bereit, Menschen in der Öffentlichkeit, nahezu unbemerkt, Filmaufnahmen erstellen zu lassen.
Das Metaversum setzt auf die Entwicklung auf. Jeder soll sich mit einer Vielzahl von Geräten in einem neuartigen Netz verbinden können und so in eine Parallelwelt abtauchen, die sich beliebig mit der Primärwelt verbinden lässt. Wunderbar ausgeführt wurde diese Idee bereits ende der 90er Jahre von Tad Williams in seinem bekannten Roman „Otherland“.
Virtuelle Realität
Den Begriff „Primärwelt“ habe ich oben ganz bewusst im Gegensatz zu den virtuellen Welten eines Metaversums gesetzt. Er geht auf J.R.R. Tolkien zurück und ist im Bereich von Computersimulationen ungebräuchlich, zeigt aber deutlich, dass die Fragestellung hinter dem aktuellen Hype keineswegs eine neue ist. Tolkien sieht den Menschen als Zweitschöpfer. Ausgehend vom Glauben an einen Schöpfergott, der den Menschen zu seinem Ebenbild geschaffen habe, spricht er diesem ebenso die Fähigkeit zur Schöpfung zu. Während also der Herrgott Himmel und Erde erschaffen hat, baut der Mensch Sekundärwelten. Er betätigt sich als Mythopoet, erzählt Geschichten, schafft Sagen und Legenden und erstellt so „virtuelle Welten“.
Kritik an diesem Tun trifft das Schaffen eines Metaversums in gleicher Weise, wie den Romanschreiber. Weltflucht, das einigeln in Scheinwelten, um Widrigkeiten des „realen Lebens“ zu entgehen, ist ein häufiger Vorwurf. Damit verbunden ist auch der Hinweis, dass Träumereien auf Lug und Trug gegründet seien und oft psychische Erkrankungen zur Folge haben.
Tolkien erwidert diesen Anfeindungen auf zweierlei Weise. Er verweist auf positive Aspekte des Flüchtens, zum Beispiel ein Entkommen aus einem Gefängnis. Zum anderen verweist er auf die Conditio Humana, nach der das Ausleben seiner Fähigkeit zum Schaffen virtueller Welten nicht prinzipiell verwerflich sein kann.
Kein neues Monopol
Bezüglich der Motive des Facebook-Konzerns und seines Gründers Marc Zuckerberg darf man jedoch skeptisch sein. Der Wille, mit neuen Technologien Möglichkeiten der Interaktion und der Kommunikation zu schaffen, ist zwar nicht schlecht, verbunden aber mit einer Firma, deren Machtinteressen allzu offenkundig sind und die unverhohlen auf dem neu erschlossenen Segment ein Monopol anstrebt, sind Zweifel nur allzu berechtigt. Facebook hat hinlänglich gezeigt, dass es nicht nur Technologie vertreibt, sondern ein intensives Interesse an der Willensbildung seiner Kunden hegt und deren Bindung an seine Dienste auch als Druckmittel missbraucht.
Sorgen wir dafür, dass die Chance einer neuen Technologie genutzt wird, um dezentrale und mannigfaltige Ideen umzusetzen, vorbei an den Interessen der großen Konzerne, hin zu einem Ort, an dem sich Menschen frei und offen zueinander und miteinander entwickeln können – ungestört von den Interessen der Mächtigen.